„Da zeigt sich Haltung – da braucht es Haltung“
Wertvolle Erfahrungen mit geistig behinderten Menschen im Herz-Jesu-Haus Kühr

Das Projekt „Haltung heute“ war im Oktober/November 2022 in mehrfacher Weise im Herz-Jesu-Haus Kühr zu Gast. Fast 2 Wochen wurde einzeln oder in Gruppen die Ausstellung „MEHR LEBEN ENTDECKEN“ besucht. Interaktiv bringt diese in 20 Stationen verschiedene Lebensthemen und Glaubensfragen ins Bewusstsein und lädt ein zum Gespräch.
So auch eine Gruppe von gut 30 Frauen und Männern. Die geistlich und körperlich beeinträchtigten Besucher waren zunächst aufgeregt und unsicher, was auf sie zukommt, als sie von 2 Mitarbeiterinnen der WeG-Initiative begrüßt wurden. Doch nach einigen Liedern der Einstimmung war eine Offenheit und Freude im Miteinander zu spüren.

Anja Gläßer und Doris Schmitt standen dann den Hausbewohnern beim Entdecken der Ausstellung zur Seite. Sie gaben Anregungen und staunten, mit welcher Offenheit die beeinträchtigten Menschen sich von den Impulsen der Ausstellung inspirieren ließen. „Es war berührend zu erfahren, wie die Teilnehmer über ihre persönlichen Empfindungen sprechen: „Wie sie davon erzählen, was ihnen wichtig ist, wo sie Halt finden und an wen sie besonders denken, wenn sie eine Kerze anzünden,“ berichtet Frau Gläßer. Und Frau Schmitt fügte hinzu: „Die Bewohner von Kühr waren mit Leidenschaft dabei. Viele Teilnehmer waren angerührt und bewegt.“ Abschließend wurde gemeinsam das Vater Unser gebetet und aus ganzem Herzen ein Danklied gesungen.

Einige Tage zuvor wurde das 150jährige Jubiläum des Herz-Jesu-Hauses gefeiert. Die Generalleitung der Schwestern war dazu eigens aus Wien angereist. Den Festgottesdienst feierte P. Hubert Lenz mit den Schwestern, Mitarbeitern und Bewohnern. In seiner lebendigen Predigt ging er auf mehrere Stationen der Ausstellung ein und brachte die Botschaft des Glaubens anschaulich und mit „einfachen Worten“ auf den Punkt.

Anlässlich des Jubiläums wurde einige Wochen später auch das Theaterstück „ABGERUNGEN“ aufgeführt – verbunden mit dem Gedenken an das dunkelste Ereignis in der Geschichte des Herz-Jesu-Hauses. Frau Schönershoven, die pädagogische Geschäftsführerin des Hauses, erinnerte in ihrer Begrüßung daran, dass 1943 durch die Nazis hunderte Personen in Lager abtransportiert und dem Euthanasieprogramm zum Opfer fielen.

Im Solo- Theater „Abgerungen“ wurde dann die Haltung des Pallottiners Richard Henkes, der sich in der Nazizeit unerschrocken und konsequent für Wahrheit und Menschenwürde einsetzte, deutlich. Bruno Lehan, der Schauspieler beeindruckte mit der Darstellung des Ringens von P. Henkes, dessen tiefes Gottvertrauen, dessen Suchen und Kämpfen bis heute Menschen anspricht und fasziniert. Lehan nahm zeitweise selbst die Person Henkes ein, z.B. in einer fiktiven Predigt, dann wieder schaute er mit Abstand auf P. Henkes, stellte Fragen in den Raum: an sich selbst und an die Zuschauer, die herausgefordert wurden über ihre Haltung nachzudenken. Die rund 80 Anwesenden spürten wohl wie aktuell das Ein-Mann-Stück in der heutigen Zeit ist, wo die Achtung von Wahrheit und Menschenwürde keineswegs selbstverständlich ist.

Zum Gedenken an die Deportation in Kühr, hat P. Hubert Lenz (Pallottiner) vor dem Theaterstück eine Ansprache gehalten über die Bedeutung des „Menschseins“. Er hebt hervor, dass der Mensch, durch sein Menschsein eine uneingeschränkte Würde hat. Insbesondere gelte dies für Kranke, Pflegebedürftige, Behinderte, Sterbende, die nichts mehr leisten können. P. Lenz betont: „Wenn die Achtung der Würde nicht mehr selbstverständlich ist, sondern auf dem Spiel steht, dann zeigt sich Haltung und braucht man Haltung.“ Für den Vallendarer Pallottiner ist „der Umgang mit Menschen mit Behinderung, mit Kranken, mit Sterbenden ein Erkennungszeichen und Gradmesser unserer Menschlichkeit.“

Richard Henkes hat Haltung gezeigt und sich zu seiner Zeit dem Euthanasie-Programm der Nazis entgegengestellt. Unmissverständlich hat er damals öffentlich bekundet: „Wehrlose töten ist Mord“.

Die Besucher waren von der Aufführung offenkundig berührt und kamen nach dem Theaterstück noch länger ins Gespräch.

Text: Doris Schmitt
Bilder: WeG-Initiative und Arne Pörsch (Gottesdienst)