Den Nazis die Stirn geboten –
Ein Stück über Pallottinerpater Richard Henkes beeindruckt Theatergäste in Limburg

Der Schauspieler Bruno Lehan spielte in der Pallottinerkirche den Autor, der sich in dem Theaterstück „Abgerungen“ mit dem Leben und Wirken von Pater Richard Henkes auseinandersetzt.

In der Weltgeschichte gab es immer wieder Menschen, die gradlinig ihre Überzeugung lebten und sei es, dass sie damit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten. Heute werden sie auch als Leuchttürme bezeichnet, weil sie anderen als Vorbild dienen können. Einer von ihnen ist der aus der kleinen Westerwaldgemeinde Ruppach stammende Pallottinerpater Richard Henkes. Für seinen Kampf gegen fatale Irrlehren der Nazis und die freiwillige Betreuung totkranker fremder Menschen nahm er den eigenen Tod in Kauf.

Warum tut ein Mensch so etwas? Richard Henkes starb am 22. Februar 1945 in der Typhus-Baracke seiner Mitgefangenen im KZ Dachau. Das hätte sich der damals 43-jährige Priester ersparen können. Mehr noch. Warum hat er sich in seinen Schriften und Predigten unerschrocken gegen das Nazi-Regime erhoben, indem er die Euthanasie als „Mord an Wehrlosen“ anprangerte? Damit befasst sich ein Theaterstück, das in der gut besuchten Limburger Pallottinerkirche St. Marien aufgeführt wurde und beim Publikum tiefe Eindrücke hinterließ.

Die Botschaft dieses unerschütterlichen Priesters zeigt Parallelen zum heutigen Zeitgeist der Fake-News und des Hasses auf. Dessen Einstehen für die eigene Überzeugung hat der in Neuwied arbeitende Autor Boris Weber zum Anlass genommen, sich mit Richard Henkes näher zu befassen. Es interessierte ihn nicht so sehr der Lebenslauf des besagten Paters, der einst als Lehrer und Erzieher in Katscher, einer Stadt im heutigen Polen, aber auch als Prediger in Oberschlesien tätig war. Wichtiger waren Weber die Kämpfe jenes Christen, die dieser einerseits mit sich selbst ausgetragen hat, um sich furchtlos mit den Mächtigen seiner Zeit anzulegen. Denn er sah es als seine Aufgabe an, die Menschen über den verbrecherischen Weg der Nazis aufzuklären.

In dem Theaterstück mit dem Titel „Abgerungen“ spielt der Koblenzer Schauspieler Bruno Lehan jenen Autor, der den Auftrag annahm, sich mit Richard Henkes auseinanderzusetzen. „Und jetzt ringe ich mit mir: „Möchte ich mein Leben in den Dienst der Kirche stellen? Es kann nicht jeder ein Henkes sein. Aber es beschäftigt mich, ob ich so leben möchte“, führt Lehan in die Gedankenwelt des Autors ein. Es stelle sich die Frage: „Was treibt einen Menschen dazu, sich den Mächtigen der Nazizeit entgegenzustellen, wohl wissend, dass sie ihn ins Gefängnis und schließlich ins KZ bringen würden?“

„Sie setzen sich selbst an die Stelle Gottes, verhöhnen Behinderte als schädlich für das Volksvermögen, teilen Gottes Ebenbilder in Rassen, in Lebenswerte und Unwerte ein, missachten die Menschenwürde. Das ist Mord an Wehrlosen und an der Menschlichkeit“, predigte Henkes unerschrocken, kämpfte für die Würde des Einzelnen. Der Autor las aus Henkes Briefen nach Hause und zitierte sein berühmt gewordenes Credo: „Einer muss ja die Wahrheit sagen.“

Er selbst hatte Angst und stellte sich ihr kompromisslos bis in die Gefangenschaft. Er war bereit, für die Menschen da zu sein, wollte wahrmachen, was er gepredigt hatte und ließ sich in die Baracke der Typhuskranken einsperren, um ihnen als Seelsorger beizustehen. „Die Leute sterben in Massen, weil sie ausgehungert sind, nur noch Gerippe“, schrieb er in einem seiner Briefe nach Hause. Er hielt mit seiner eigenen Angst nicht hinterm Berg, äußerte Zweifel, dass er die Hürde nicht überspringen könne. Dennoch: Seine Familie solle sich keine Gedanken machen, schrieb: „Was kann es menschlicheres geben als den Menschen in ihren schweren Stunden beizustehen.“ Er betete darum mit seiner Liebe andere anzustecken, damit sie in ihren letzten Stunden nicht ohne Hoffnung bleiben.

Am Ende knallt die Tür der Typhus-Baracke zu. Nach all den starken Worten nachdenkliche Stille. In der Pallottinerkirche hätte man eine Stecknadel fallen hören. Dann setzt Beifall ein, der verrät, Bruno Lehan hatte die Zuhörer wirkungsvoll in das Gefühlsleben des Priesters eingebunden, dessen Vermächtnis es ist, die Menschen heute zur Wahrheit zu ermutigen, Haltung einzunehmen, verbunden mit dem Wunsch, dieses abgelegte Zeugnis möglichst vielen jungen Menschen nahezubringen.

Text und Bild: Dieter Fluck
Der Beitrag ist am11.06.2022 in der Nassauischen Neuen Presse erschienen.